Ecodesign ist die Nagelprobe – aber nicht die einzige Herausforderung

Dies ist eine persönliche Einschätzung von Dr. Johannes R. Gerstner, MBA, politischer Berater der Ofenbranche. Mit seiner langjährigen Erfahrung in Politik und Verbandsarbeit beleuchtet er die aktuellen Herausforderungen, vor denen die Kamin- und Kachelofenbranche steht. Sein Statement zeigt, warum es jetzt klare Entscheidungen für eine rationale Energiepolitik braucht, die Innovationen anerkennt und die Zukunft der Branche sichert.

 

Die Kamin- und Kachelofenbranche hat in den vergangenen Jahren immer wieder gezeigt, dass sie leistungsfähig und innovationsbereit ist – und sie ist es auch heute. Handwerkliche Stärke, technologische Entwicklung und das Vertrauen von Millionen Menschen, die auf ihre Kamin- und Kachelöfen setzen, machen deutlich: Diese Geräte sind nicht das Problem der Energiewende, sondern Teil ihrer Lösung. Qualitätshersteller wie Camina & Schmid stehen stellvertretend dafür, dass die Branche nicht stillsteht, sondern laufend neue Antworten auf technische und ökologische Anforderungen entwickelt. Genau dieses Potenzial muss in Brüssel, Berlin und den Landeshauptstädten endlich anerkannt werden.


Mit der Ecodesign-Verordnung steht die größte Herausforderung unmittelbar bevor. Was nach technischer Detailregelung klingt, ist in Wahrheit ein Lackmustest für die Glaubwürdigkeit europäischer Energiepolitik. Es geht um die Frage, ob in Europa künftig noch Kamin- und Kachelöfen auf den Markt gebracht werden dürfen – oder ob eine ganze Branche durch überzogene Vorgaben schrittweise ausgedünnt wird.
Die bisherigen Entwürfe haben die Probleme deutlich gemacht: Prüfzyklen, die den Alltag nicht abbilden, Grenzwerte, die selbst mit modernster Technik kaum erreichbar sind, und Übergangsfristen, die Handwerksbetriebe und Hersteller von heute auf morgen in Bedrängnis bringen würden. Fachleute haben berechnet, dass die Zertifizierung eines einzigen neuen Modells im neuen Verfahren bis zu einer Million Euro verschlingen könnte – Summen, die viele Mittelständler ruinieren würden. Gleichzeitig ist offensichtlich, dass die vorhandenen Prüflabore ein solches Verfahren nicht bewältigen könnten.
Hier wird deutlich: Es geht nicht um wirklichen Klimaschutz, sondern um Symbolpolitik. Realistische Prüfverfahren, Grenzwerte, die technische Innovationen anerkennen, und Übergangsfristen, die Handwerk und Industrie handlungsfähig halten, wären der richtige Weg. Denn die Branche hat längst geliefert: Automatische Abbrandsteuerungen, Katalysatoren und elektrostatische Abscheider senken Emissionen signifikant. Ecodesign wird damit zur Nagelprobe: Entweder Europa reguliert mit Augenmaß oder Ideologie setzt sich gegen Vernunft durch.


Doch Ecodesign ist nicht die einzige Baustelle. Mit der EU-Entwaldungsverordnung droht die nächste Welle an Überregulierung. Ihr Ziel, den Kahlschlag tropischer Regenwälder zu verhindern, ist richtig. Doch die Umsetzung schießt über das Ziel hinaus. Künftig sollen selbst kleine Waldbesitzer in Deutschland Geodaten liefern, Nachweise erbringen und sich durch Bürokratieberge kämpfen. Dabei gilt hierzulande seit Jahrzehnten das Prinzip der nachhaltigen Forstwirtschaft. Dass der Forstwirt im Sauerland denselben Dokumentationsaufwand betreiben soll wie ein internationaler Tropenholzkonzern, ist unverhältnismäßig. Die Folge für einen Energieträger, der regional, erneuerbar und krisensicher ist sind steigende Kosten, verunsicherte Kunden und sinkende Akzeptanz.


Auch der Vollzug der 1. BImSchV zeigt Defizite. Ende 2024 lief die Übergangsfrist für alte Kamin- und Kachelöfen aus, doch 1,7 Millionen Geräte stehen noch immer in deutschen Wohnzimmern. In Bayern dürfen sie bis zur nächsten Feuerstättenschau weiterlaufen, was einer Gnadenfrist von bis zu dreieinhalb Jahren entspricht. In Hessen dagegen gilt der harte Kurs: sofortige Stilllegung, Nachrüstungen sind nicht erlaubt. Dazwischen liegen 14 weitere Bundesländer mit jeweils eigenen Regeln. Ergebnis: ein Flickenteppich, der Betreiber verunsichert, das Handwerk überlastet und Vertrauen verspielt. Die Branche
fordert deshalb eine novellierte 1. BImSchV.


Diese schafft Bundesweit einheitliche Regeln mit klaren, realistischen Fristen, praxisgerechten Übergangsoptionen und verbindlichen Standards. Ebenso notwendig ist ein Ende der Emissionsmessungen am Bestandsgerät durch den Schornsteinfeger. Diese Messungen nützen weder der Umwelt noch den Verbrauchern noch dem Handwerk. Stattdessen braucht es Austausch, Nachrüstung und Schulung.
Die Vorteile von Kamin- und Kachelöfen sind unübersehbar: Holz setzt beim Verbrennen nur das frei, was es zuvor gebunden hat. Es bleibt im natürlichen Kohlenstoffkreislauf und bringt keinen fossilen Kohlenstoff neu in die Atmosphäre. Nachwachsende Bäume binden zusätzlich CO, während Kronenholz und Wurzeln im Wald weiter Kohlenstoff speichern. Diese Bilanz ist deutlich besser, als Kritiker oft darstellen. Zudem ist sie dramatisch günstiger als bei fossilen Energieträgern, die wir zum Teil aus Ländern importieren müssen, deren Unrechtsregime durch unsere Geldsendungen noch stabiler wird.


Hinzu kommt: Moderne Kamin- und Kachelöfen arbeiten effizient und emissionsarm. Sie leisten etwas, was keine andere Heiztechnik bieten kann – Resilienz.

 

Sie funktionieren auch dann, wenn Strom und Gas ausfallen. Sie sichern Wärme in Krisensituationen, entlasten Netze in Spitzenzeiten und schaffen Vertrauen bei den Menschen. Hybridlösungen mit Wärmepumpen zeigen, dass beide Systeme hervorragend zusammenwirken. Sie stabilisieren Netze, verringern Lastspitzen und machen die Wärmewende krisenfest. Ohne Kamin- und Kachelöfen gibt es keine resiliente Wärmewende.


All dies zeigt: Es gibt kein technisches Problem, sondern ein politisches. Die Branche hat geliefert, die Politik muss nachziehen. Erforderlich ist eine rationale Energiepolitik, die ökologische Verantwortung mit gesellschaftlicher Realität verbindet. Keine Symbolpolitik, keine Bürokratie, keine Flickenteppiche mehr, sondern Lösungen, die wirken.
Die Interessenvertretungen der Branche setzen sich dafür seit Jahren ein. Es gibt zahlreiche Verbände, die hier wertvolle Arbeit leisten. Exemplarisch seien drei genannt: Der Gesamtverband Ofenbau bündelt die Kräfte des Handwerks. Die Initiative #ofenzukunft hat gezeigt, wie stark gemeinsames Auftreten sein kann, etwa beim Widerstand gegen überzogene Ecodesign-Entwürfe. Und die Europäische Feuerstätten Arbeitsgemeinschaft sorgt dafür, dass die Stimme der Branche auch in Brüssel Gehör findet. Diese Beispiele stehen stellvertretend für eine lebendige Verbandslandschaft, die insgesamt unverzichtbare Arbeit leistet.


Dieses Engagement ist ein großer Gewinn und macht deutlich, worum es geht: Geschlossenheit, Klarheit und Zukunftsorientierung.
Die Aufgaben sind groß. Aber die Technik ist vorhanden, die Argumente liegen auf dem Tisch, und die Gemeinschaft ist stark. Deshalb gilt: Kamin- und Kachelöfen bleiben nicht aus Nostalgie, sondern weil sie Zukunft haben.
 

 

 

Dr. Johannes Gerstner

MBA Politischer Berater der Ofenbranche

Dr. Johannes Gerstner arbeitet an der Schnittstelle von Wissenschaft, Journalismus und Kommunikation. Seit vielen Jahren berät er Unternehmen und Verbände, mit einem besonderen Fokus auf die erneuerbaren Energien und die energetische Nutzung von Biomasse. Durch seine publizistische und beratende Tätigkeit – unter anderem für die Europäische Feuerstätten Arbeitsgemeinschaft, den Fachverband Schornsteintechnik, den Gesamtverband Ofenbau, den Zentralverband Haustechnik und die Clean Exhaust Association – verfügt er über umfassende Kenntnisse der aktuellen Entwicklungen und Herausforderungen der Ofenbranche und angrenzender Gewerke.

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